Atlantic Rally for Cruisers 2004

Tag 6 auf See – Und täglich grüßt das Murmeltier

Position: 200 Seemeilen nördlich der Kapverden, mitten im Atlantik – 21°58.06’N 022°59.42’W

Kennt Ihr den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit dem Bill Murray? So ähnlich geht es uns derzeit. Jeder Tag gleicht dem vorigen: die gleiche Landschaft, die gleichen Gesichter, unsere wackelnde Nussschale, leider derzeit auch jeden Tag das gleiche, windarme Wetter, das Programm ist auch das Gleiche.

Nur, wie auch im Film werden wir mit den Umständen immer besser fertig. Wir stoßen uns nicht mehr jedes Mal den Kopf, die Zehen, die Knie an den gleichen Ecken und Kanten des Bootes an sondern nur jedes zweite oder dritte Mal. Die Freunde lernt man auch immer besser kennen und weiss genauer was man wann zu wem sagen darf oder nicht. Auch der Tagesablauf pendelt sich langsam ein. Nach der Wache wird meist gemeinsam gefrühstückt, dann verschwinden zwei in ihre Kojen und schlafen ein bis zwei Stunden, danach wird irgendwann ein bisschen Hygiene betrieben und man lässt sich von der Sonne trocknen.

Lesen, Schach spielen, Zirkeltraining und Musikhören runden unser abwechslungsreiches Programm ab. Reden tun wir auch noch miteinander. Ja, wir haben sogar noch richtig viel Spaß!

4 in einem Boot

Heute waren wir ein wenig frustriert weil mangels Wind einfach nichts weiter geht. Seit über zwei Tagen haben wir kein Schif mehr gesehen, gerade erst ein Viertel der Strecke ist hinter uns, wie es scheint rutschen wir täglich in der Rangliste ab und wieder kein Wind in Aussicht. Wir liegen auf Position 136 oder so, irgendwo zu weit östlich in einem Windloch. Uns fehlt der Spinnaker, dessen Reparatur wir nun endgültig aufgegeben haben. Somit mussten wir heute etwas Kreativität an den Tag legen um nicht bei 3-4 Knoten zu krepieren. Somit wurde eine zweite Genua gesetzt. Wir fahren nun mit zwei ausgebaumten Genuas mit 5-6 Knoten dahin. Das Groß wurde stark gerefft oben gelassen, um dem Boot etwas mehr Stabilität zu geben.

Segeln

Sofern der Wind so schwach wie jetzt bleibt, lassen wir diese Besegelung über Nacht oben. Vielleicht gelingt es uns so unser Handicap des fehlenden Spinnakers zu kompensieren und ein paar Plätze aufzuholen.
Michi kam heute mit seiner Fischerei auch einen Schritt weiter: Es hat ein ca. 2 Meter großer Fisch angebissen.

Fischen

Leider riss uns beim Einholen die Leine und es gibt wieder keinen Fisch zum Essen. Aber wir haben ja noch Zeit unsere Technik zu verbessern – täglich grüßt das Murmeltier…

Anbei noch ein Foto als Nachtrag zu dem gestrigen Thema Nachtwache. Wie gesagt, es ist nicht immer leicht wach zu bleiben.

Nachtwache

Tag 5 auf See – die Nachtwachen

Position: irgendwo im Südwesten von Las Palmas, mitten im Atlantik – 27°28.22’N 015°42.06’W

Unser neues Nachtwache System hat sich bewährt und positiv auf unsere körperliche Verfassung und Psyche ausgewirkt. Jeder hat sechs Stunden durchgehend in seinem Bett schlafen können, und weitere drei Stunden in Montur auf Deck.

Warum Nachtwachen? Wir segeln ja 24 Stunden am Tag – sprich die ganze Nacht durch. Und obwohl dieses Meer so riesengroß ist, ist der häufigste Unfallsgrund eine Kollision mit einem anderen Schiff. Vor allem die großen Frachtschiffe sind für uns Segler gefährlich, da diese meist den Autopiloten einschalten und keine Nachtwache schieben. Eine Kollision mit einem Segelschiff wie unserem würden die gar nicht merken – wir allerdings schon. Deshalb nehmen wir die Nachtwachen sehr ernst – auch wenn sie teilweise sehr anstrengend sind:

Man sitzt stundenlang da und schaut alle 15 Minuten mit dem Feldstecher den Horizont nach Schiffen ab. Sonst achtet man, dass die Segelstellung gemäß dem Wind und dem angepeilten Kurs passt, beobachtet die Wolken und das Wetter im allgemeinen, refft gegebenenfalls die Segel, oder ändert den Kurs. Es wird ziemlich kalt während der Nacht.

Wohl nicht so kalt wie bei Euch da oben im Norden, aber der Wind und die fehlende Bewegung bringen uns zum frösteln. Somit sind wir eingepackt wie im Winter, und oben drüber die Rettungsweste samt Lifeline, mit der wir ständig angeleint sind.

Michael Nachtwache

Zeitweise ist es schwierig wach zu bleiben. Gegen Ende der Wache schaut man alle paar Sekunden auf die Uhr, man befiehlt sich selbst wach zu bleiben, und ärgert sich umso mehr wenn man dann doch eingenickt ist und bei einer Welle von der Bank gefallen ist.

Je länger man in die Dunkelheit schaut, umso mehr scheint man da draussen zu sehen. Entweder spielt einem da die Müdigkeit einen Streich, oder ist es die Psyche, die einem doch einmal ein Erfolgserlebnis geben will?

Die Schichtwechsel gehen mittlerweile sehr wortkarg vor sich. Man weckt sich 10 Minuten vor dem Wechsel damit sich die Ablösenden anziehen und mit der nötigen Nascherei bewaffnen können, zeigt dann kurz in die Richtung, in der man das letzte Schiff gesehen hat, und geht schlafen. Die letzte Schicht endet quasi mit einer neuen, die aber nicht mehr zeitlich begrenzt ist.

Nach Nachtwache

Sprich untertags macht jeder was er will. Es gibt nur einen Termin am Tag der Fix ist: unsere 12 Uhr Position zu ermittlen und an das ARC Büro zu schicken.

Lasst uns hoffen dass bald mehr wind aufkommt (der Spinnaker fehlt uns), sonst rutschen wir noch auf den letzten Platz zurück…

Zu Euren Beschwerden wegen zu weniger Fotos: Es funktioniert nicht immer, die Fotos zu laden. Abgesehen davon können wir Euch nicht mehr so viel abwechslungsreiche Bilder liefern – zumindest was die Landschaft betrifft.

Tag 3 und 4 auf See – es wackelt

Position: irgendwo im Südwesten von Las Palmas, mitten im Atlantik
24°57.05’N 018°59.08’W und 23°54.00’N 021°38.01’W

 

Das Wetter – der wichtigste Faktor wenn man mit dem Segelboot unterwegs ist – ist uns recht gut gesinnt: konstanter, nur schwach drehender Wind aus Nordost mit Stärken zwischen 2 und 6 Bft.

Bis auf eine Nachtfahrt, in der wir eine Kurskorrektur vornahmen, segeln wir mit dem Wind mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 7 Knoten in Richtung Südwest. Wir sind wohl etwas traurig, dass wir die perfekten Spinnakerbedingungen nicht nutzen können, und werden laufend von irgendwelchen Booten überholt, aber wenn der Wind wieder stärker wird, werden wir sie schon einholen. Aussserdem versucht Stefan O. den Spi behelfsmässig zu flicken.

Stefan flickt

In der Zwischenzeit muss ein improvisiertes Segel herhalten.

Spinnaker

Am richtigen Trimm arbeiten wir noch 🙂

Was hat sich sonst getan? Wir mussten feststellen, dass unser Stromverbrauch höher ist als es uns die Batterien erlauben. Die erst im letzten Augenblick erstandene Kühlbox darf somit nur dann ihrer Arbeit nachgehen wenn die Batterien geladen werden – das ist eine Stunde in der Früh mit dem Diesel, zwei Stunden am Abend mit dem Generator.

Die Nachtwachen wirken sich langsam negativ auf uns aus. Bisher haben wir diese jeweils zu zweit in drei 4 Stunden Schichten abgehalten. Resultat: alle sind ständig irrsinnig müde.

Ab heute probieren wir ein anderes System: zwei 6 Stunden Schichten, jeweils zu zweit, wobei einer tatsächlich Wache hält und der zweite Standby in voller Montur schlafen darf. So kommt jeder von uns zu mindestens sechs Stunden ununterbrochenem Schlaf, im besten Fall sogar zu 9 Stunden. Über den eventuellen Erfolg werden wir berichten.

Sonst wird der Alltag an Bord vor allem von einer Sache beeinflusst: es wackelt. Es wackelt viel und die ganze Zeit. Es wackelt mit Pendelradien zwischen zwei bis fünf Metern, ununterbrochen. Jede Tätigkeit ist doppelt so anstrengend als normal, sich auf etwas länger als zwei Stunden zu konzentrieren ist unmöglich. Es ermüdet, somit geht man schlafen und wir schlafen viel (vor allem Andreas, dank Vertirosan) untertags, über oder unter Deck. Unter Deck ist es ganz besonders gemütlich: es kracht, knirscht und grammelt, es blubbert, plätschert und blummert. Michi meinte, es ist so als ob man in einer Waschmaschine schlafen würde. Unser Trip ist mit einer dreiwöchigen Achterbahnfahrt im Prater vergleichbar – wahrscheinlich nur etwas billiger…

PS: Ein Bild extra für Janneke und Julia

Andreas